Allgemeine Regeln für einen gesunden Stellungsaufbau

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A) EINLEITUNG

Die nachstehenden Ausführungen habe ich mit Einverständnis des Autors (elutz1) in unsere Schachbibliothek übernommen. Diese Regeln sollen Hinweise für einen gesunden Stellungsaufbau und Verwertung eines Vorteils geben. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Eröffnungsbehandlung, da wie beim Hausbau das Fundament stimmen muss. Auf das Mittelspiel und Endspiel wird nur kurz eingegangen.


B) DIE ERSTEN ZÜGE / ERÖFFNUNG TEIL 1


B1)

Versucht das Zentrum zu kontrollieren und /oder darauf einzuwirken, da Ihr dann später Eure Figuren leichter auf gute Felder stellen könnt oder bei Bedarf auch leichter Eure Figuren umgruppieren könnt. Das Zentrum umfasst die Felder e4,d4,d5,e5

B1.1)

Am Besten ist hier für Einsteiger der Bauernzug als Weißer mit e2-e4. Ein Bauer (kleinste Materialeinheit) wirkt auf das Zentrum/besetzt dieses und gibt dem Weißspieler Entwicklungsmöglichkeiten für den Springer g1, den Läufer f1 und für die Dame auf d1.

B1.2)

Wenn der Schwarzspieler genauso denkt spielt er e7-e5. Es gibt natürlich viele andere Erwiderungen, aber mit diesem Antwortzug wird die Wirkungsweise der Figuren und Bauern besonders deutlich aufgezeigt.

EXKURS 1: ERÖFFNUNGSFEHLER

Jetzt könnte der Weißspieler auf die nicht so tolle Idee kommen, mit d2-d4 im zweiten Zuge auch den Springer b1 und den Läufer c1 zu befreien. Diese Eröffnung gibt es offiziell sogar – Mittelgambit – diese Eröffnung ist aber sehr schlecht. Dann kommt von Schwarz einfach e5xd4 und Weiß sollte diesen Bauern in Kürze oder gleich zurückgewinnen, um nicht in Materialnachteil zu geraten. Nach Dxd4 von Weiß spielt Schwarz einfach Sb8-c6, greift damit die Weiße Dame an, entwickelt sich dadurch und Weiß sollte/muss die Dame ziehen, wenn er nicht in Materialnachteil kommen will (siehe auch EXKURS 2: Wertigkeit der Figuren)

B1.3)

auf 1. e7-e5 von Schwarz sollte Weiß Sg1-f3 spielen. Er entwickelt eine Figur auf ein gutes Feld, wirkt mit dieser auf das Zentrum, bereitet die kurze Rochade vor (siehe auch Abschnitt C-Eröffnungen Teil 2), greift den Schwarzen Bauern e5 an, wirkt auf zwei Felder im Zentrum mit d4 und e5 und verstellt auch nicht die Diagonale des Läufers f1 wie es zum Beispiel der Zug Sg1-e2 tun würde.

EXKURS 2: WERTIGKEIT DER FIGUREN

Eine Kunst im Schachspiel ist es sowohl die Position als auch die Materialverhältnisse zu berücksichtigen. Solltet Ihr im Materialnachteil sein, so wird es meistens sehr schwierig und häufig unmöglich diesen durch einen positionellen Vorteil auszugleichen. Einem guten Spieler genügt fast immer schon ein Plus von einer Bauerneinheit, um die Partie zu gewinnen.

E2a) eine Dame ist ca. 9 Bauerneinheiten wert

E2b) ein Turm ist ca. 4,5 bis 5 Bauerneinheiten wert. Zwei Türme sind dadurch also meistens etwas wertvoller als eine Dame

E2c) Ein Springer und ein Läufer sind ca. drei Bauerneinheiten wert, wobei der Springer eher in geschlossenen und der Läufer eher in offenen Stellungen wertvoller ist

B1.4)

Sollte Schwarz als ersten Zug nicht e7-e5 wählen und z.B. mit c6,d6,e6,g6 (alles gute und spielbare Eröffnungen – genauere Analyse dieser Eröffnungen erfolgt in 2-3 Monaten) erwidern, so ist der Zug d2-d4 übrigens sehr gut, da er auch den Figuren am Damenflügel eine Entwicklungsoption gibt. Bei Zügen wie 1. d7-d5 oder Sg8-f6 (diese Eröffnungen gibt es auch, sind für Schwarz aber sehr schwer zu spielen) von Schwarz muss sich Weiß natürlich um den e4-Bauern kümmern, indem er den Bauern entweder vorzieht, den Bauern deckt oder den d5-Bauern schlägt. Mögliche Eröffnungen schauen wir uns in 2-3 Monaten etwas genauer an, wenn Ihr mit der Wirkungsweise der Figuren noch besser vertraut seit.

B1.5)

Schwarz hat nach den Zügen 1.e4-e5, 2.Sf3 folgende sinnvolle Möglichkeiten. 2. Sb8-c6 (am besten, da er den Bauern e5 deckt und gleichzeitig auf das Zentrum wirkt 2. d7-d6 (deckt den Bauern e5, versperrt aber den Läufer f8 erst einmal eine mögliche Entwicklungsdiagonale) und 2. Sg8-f6 (greift den Bauern e4 an, wenn Weiß schon den Bauern e5 angreift. Dieses ist grundsätzlich eine gute Eröffnung von Schwarz. Das Problem dabei ist, dass es Schwarz nicht hilft die weißen Züge nur „nachzuäffen“, da Weiß den sog. Anzugsvorteil besitzt und somit als erster beim „Nachäffen“ der Züge mattsetzen kann.


C) DIE NÄCHSTEN ZÜGE / ERÖFFNUNG TEIL 2


C1)

Mittlerweile kennt Ihr einige sinnvolle Eröffnungszüge von Weiß und von Schwarz. Die Partie endet aber nicht nach zwei oder drei Zügen. Wie geht es also sinnvoll weiter?

C1.1)

Entwickelt zuerst den e-Bauern und wenn der Gegner es zulässt anschließend den d-Bauern nach d4. Macht aber NICHT nur Bauernzüge in der Eröffnung, sondern denkt auch unbedingt an die Figurenentwicklung (siehe auch C1.2).

EXKURS 3: ERÖFFNUNGSFELER 2

Einige – sogar „recht gute“ Spielpartner auf meiner bevorzugten Internet-Schachseite glauben gegen gewisse Gegner mit einer ausschließlichen „Hemmungsstrategie“ Erfolg haben zu können und spielen schon im 2., 3., 4. oder 5. Zug häufig h7-h6 oder a7-a6. Diese Züge könnten irgendwann mal gut sein, sie sind im frühen Eröffnungsstadium aber fast immer schlecht. Ihr solltet immer Züge machen, die JETZT gut sind (siehe auch C1.2)

C1.2)

Entwickelt Eure Figuren in einem EINZIGEN Zug (TEMPI SIND SEHR WICHTIG) auf ein gutes Feld. Zuerst die Leichtfiguren und erst später die Schwerfiguren. Achtet aber darauf, dass sie z.B. nicht nur gegen einen Bauern verloren gehen (siehe auch Wertigkeit der Figuren). Gute Entwicklungsfelder sind für den - Springer g1 das Feld f3, - Springer b1 das Feld c3, - Läufer f1 die Felder c4 und b5 und - Läufer c1 die Felder f4 und g5, da sie direkt oder indirekt auf das Zentrum wirken

C1.3)

Verstellt Eure Zentrumsbauern nicht mit Figuren, da sie Eure Entwicklungsmöglichkeiten hemmen oder behindern. Züge wie 2. Ld3 nach 1.e4 und e5 sind also schlecht, da sie verhindern, dass sich Eure anderen Leichtfiguren schnell entwickeln können. TEMPI sind wie schon kurz erwähnt in allen Partiephasen sehr wichtig, da der Gegner sonst zuerst angreifen kann und Euch so weiter einengt.

EXKURS 4: KÖNIGSSICHERHEIT

E4a)

„Rochiere nur bei Zeiten, sonst bekommst Du Unannehmlichkeiten !!“.Dieses Zitat stimmt zu 95%, da der König unersetzlich ist und des Schutzes Bedarf. Am Einfachsten könnt Ihr Euren König mit der kurzen Rochade in Sicherheit bringen. Manche Spötter behaupten zwar: „Wer rochiert – verliert!!“. Diese Aussage kann nur scherzhaft gemeint sein.

E4b)

Wenn Ihr rochiert habt, so solltet Ihr nicht ohne Not Eure Königsstellung durch Bauernzüge vor dem König schwächen. Jede Schwächung hilft Euren Spielpartner, Euren König leichter angreifen zu können.

E4c)

Achtet in der Eröffnung immer auf mögliche „Einschläge“ auf f7, da dieses Feld in der Eröffnung nur vom König gedeckt wird

C1.4)

Startet keine verfrühten Angriffe ohne vernünftige Entwicklung. Dieses erleichtert es Euren Gegner mit einem vernünftigen Aufbau diesen verfrühten Angriff abzuwehren, sich zu entwickeln und dann durch seine gute Entwicklung in Vorteil zu kommen. Ein Beispiel für einen verfrühten Angriff ist der Versuch das sog. „Schäfermatt“ zu erreichen.

1. e4 - e5

2. Lc4 (Druck auf f7) – Sc6(deckt den Bauern e5 und wirkt auf das Zentrum, wobei Sf6 hier mehr zu empfehlen wäre, da sich Schwarz auch entwickelt und gleichzeitig den Bauern e4 angreift)

3. Dh5 (zweiter Angriff auf f7) – g6 (wenn schwarz hier nach nach Schema spielt und einfach Sf6 spielen würde, so wäre er nach Dxf7 matt)

4. Df3 (erneuert die Drohung auf f7, nimmt aber den Springer f1 das beste Entwicklungsfeld) – Sf6 (Schwarz entwickelt sich weiter und wehrt die Drohung ab)

5. Db3 (Weiß will seine missglückte Eröffnungsbehandlung nicht einsehen und haut weiter wild um sich. Er zieht schon zum dritten Mal die Dame in der Hoffnung, das Schwarz schläft und die Drohung auf f7 nicht sieht)

Weiß hat hier zwei gravierende Fehler gemacht. - er hat in der Eröffnung zu oft mit einer Figur gezogen - er hat zu früh die Dame (9 Bauerneinheiten) ins Spiel gebracht und Schwarz konnte durch Angriffe auf die Dame mit g7-g6 und durch Sf6 einen Entwicklungsvorsprung erreichen und die Dame ist auf b3 bald weiteren Angriffen von Schwarz ausgesetzt

C1.5)

Macht keine „unorthodoxen“ Eröffnungen, denn die sind häufig minderwertig, da sie allgemeinen Eröffnungsregeln widersprechen. Sicherlich habe ich gegen diese Eröffnungen auch schon mal verloren. Das lag aber dann daran, dass meine Gegner im Mittel- und Endspiel ein größeres Spielverständnis gezeigt haben. Nach der Eröffnung hatte ich fast immer mindestens Ausgleich oder stand sogar besser. Grobs-Angriff (1.g4), Orang-Utan (1.b4, da dieser Bauer lt. Theorie auf der B-Linie wie ein Affe auf einem Baum klettert), Larsen-Eröffnung (1.b3), Königsgambit (1.e4-e5, 2.f4), Baker-Eröffnung (1.e4-a6) empfinde ich als sehr unorthodox/schlecht, obwohl es sicherlich Spieler gibt, die diesbezüglich eine andere Spielphilosophie vertreten.


D) EINIGE HINWEISE ZUM MITTELSPIEL (SEHR ALLGEMEIN)


D1)

Türme solltet Ihr im Mittelspiel auf offene Linien stellen, denn da sind sie aus der Ferne stark. Sind keine offenen Linien vorhanden, so stellt bitte die Türme auf halboffene Linien

D2)

Lasst Eure Dame hinter den eigenen Bauern, damit sie nicht zu schnell angegriffen werden kann. Wenn Ihr natürlich eine Mattkombination oder sonstigen deutlichen Vorteil erlangen könnt kann die Dame auch davor stehen:-)

D3)

solltet Ihr im Materialvorteil sein so tauscht nach Möglichkeit gleichwertige Figuren, aber keine Bauern, bei Materialnachteil dementsprechend umgekehrt

D4)

Es ist nicht wichtig was vom Brett verschwindet, sondern was auf dem Brett bleibt. In der Stonewall-Verteidigung und in der Französischen Verteidigung (beide Verteidigungen sind sonst sehr gut spielbar) hat Schwarz sehr häufig einen schwachen Läufer auf c8, dem seine eigenen Bauern behindern. Solltet Ihr es schaffen diesen Läufer dauerhaft schlecht zu stellen, selbst dafür einen Springer zu haben und die restlichen Figuren abzutauschen so seid Ihr positionell deutlich im Vorteil. Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir uns verschiedene Eröffnungssystem anschauen)

D5)

im Mittelspiel gibt es häufiger die Möglichkeit (gerade bei e4-e5 Eröffnungen) den Springer und den Läufer gegen den Turm und den Bauern f7 zu tauschen und es ist annäherndes Materialgleichgewicht. Dennoch solltet Ihr von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, da gerade im Mittelspiel diese zwei Leichtfiguren meistens als stärker einzuschätzen sind. Der Vorteil eines Turm kommt häufig erst im Endspiel zum Tragen.

D6)

solltet Ihr mal keinen konkreten Plan in einer Stellung haben so stellt Eure am schlechtesten postierte Figur auf ein besseres Feld oder tauscht diese Figur ab

D7)

Springer am Rand ist eine Schand, Springer im Eck hat keinen Zweck. Ein Springer im Eck hat nur zwei Zugmöglichkeiten, ein Springer im gedachten Quadrat c3-c6-f6-f3 hat aber acht Zugmöglichkeiten. Stellt Eure Figuren grundsätzlich aktiv auf und achtet dabei immer auf mögliche Materialverluste und -gewinne

D8)

Sollte Eure Dame z.B. auf c2 stehen und ein schwarzer Turm z.B. auf c8 so solltet Ihr Eure Dame aus der c-Linie entfernen, selbst wenn dazwischen noch Figuren oder Bauern stehen. Figuren können weggezogen und Bauern können abgetauscht werden und dann ist Eure Dame dem Angriff des Turms ausgesetzt.

D9)

bei heterogenen Rochaden ist ein Bauernsturm mit Unterstützung der Figuren ein probates Mittel den gegnerischen König in Schwierigkeiten zu bringen

D10)

In Kürze werde ich auch einige typische Mittelspielkombinationen wie das Erstickungsmatt, das Läuferopfer auf h7, das Grundlinienmatt für Euch zusammentragen.


E) FÜNF ALLGEMEINE HINWEISE ZUM ENDSPIEL


E1)

Wenn Ihr in ein gewonnenes Bauernendspiel einlenken könnt, so solltet Ihr das tun, da dann Eurer Gegner erst recht chancenlos ist

E2)

Türme gehören hinter die Bauern – hinter eigene um Sie beim Vormarsch zu unterstützen und hinter gegnerische um deren Vormarsch aufzuhalten

E3)

Der König ist im Endspiel eine aktive Figur – setzt ihn aktiv ein

E4)

Turmendspiele kommen in der Praxis am häufigsten vor. Beispiel: Dein Gegner besitzt König, Turm und Bauern, Ihr habt nur einen König und einen Turm. Wenn dieser Mehrbauer Eures Gegners auf einer Turm- oder Springerlinie steht, so haltet Ihr das Spiel Remis, wenn es Euch gelingt mit Eurem König das Umwandlungsfeld zu besetzen und Euren Turm auf der ersten Reihe weit weg vom Bauern des Gegners zu stellen.

E5)

Des weiteren werde ich Euch, wenn wir die Eröffnung und das Mittelspiel hinreichend besprochen haben, weitere Endspieltypen und -tricks zeigen - Opposition bei Bauernendspielen und Zugzwang - Dreiecksmanöver bei Bauernendspielen - Brückenbau bei Turmendspielen - der falsche und der richtige Läufer zur Unterstützung eines Randbauern im Endspiel und noch einiges mehr.

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